Rote Rinder grenzenlos: Züchterbesuch in Dänemark

Rassen überschreiten Ländergrenzen wir kennen das bei vielen Rassen. Gute Zuchttiere wurden von jeher ausgetauscht, was dazu führte, dass in angrenzenden Zuchtgebieten im Ausland oftmals noch gleiche Rassen gehalten werden oder ähnliche, mit sehr verwandter Genetik zu finden sind. Heute, sind viele dieser Rassen oftmals beiderseits der Grenzen bedroht. Darum macht es häufig Sinn, den Kontakt zu suchen und sich gegenseitig mit passender Genetik „auszuhelfen“ und züchterisch zusammenzuarbeiten.

Betrachtet man die Stammbäume des Angler Rindes alter Zuchtrichtung, findet man Vorfahren verschiedener alter nordischer Rotviehrassen: des Roten Dänisches Milchrindes (RDM), Finnischen Ayrshire und Schwedischer Rotbunten, diese Rassen sind Teil der Genetik des Angler Rindes a.Z. und in der Zucht zugelassen. In die modernen Zucht des Angler Rindes sind in den letzten Jahren mehr und mehr moderne Red Holsteins eingeflossen. Dessen Genanteil ist bei der alten Zuchtrichtung jedoch streng begrenzt worden, um die alte Genetik parallel zu erhalten.

Aus dieser Situation heraus ergab sich, dass bereits an den Züchtertreffen in 2011 und 2012 in Everode dänische Züchter teilnahmen, die sich mit ihren Roten Dänischen Milchrindern in einer noch schwierigeren Situation befinden, als die Züchter in Deutschland. Nur noch zwei größere Herden sind vom RDM in Dänemark vorhanden sowie Einzeltiere in vier bis fünf gemischten Herden, sie sind damit sehr stark auf neue, verwandte Genetik angewiesen, um ihr Rotes Rind erhalten zu können.
Die naheliegende Konsequenz dieser Situation war nun eine Reise nach Dänemark, um die Kontakte auszubauen und die Rinder zu beurteilen im Hinblick auf ihre Eignung für die Zucht des Angler Rindes a.Z. Im Rahmen des GEH-Modellvorhabens „Infrastrukturaufbau für die bundesweite Zucht bestandsgefährdeter Nutztierrassen“ (BLE) fuhren eine kleine Delegation aus dem Rassebetreuer Wilhelm Betram mit Andrea E. Hetzler, Züchter Franz von Burmester mit Sohn und GEH-Projektlkoordinatorin Karola Stier nach Dänemark.

Der erste Betrieb war der von Familie Benzon auf Oregard im Norden der Insel Fünen. Gorm Benzon und seine Frau Birte erwarben vor rund 30 Jahren das historische Landgut und haben sich zur Aufgabe gemacht, alte dänische Landrassen vor dem Aussterben zu bewahren. Bis vor wenigen Jahren war der Haustierpark noch öffentlich zugänglich, eine unerschöpfliche Vielfalt an Rassen in großen Herden, wie dem Schwarzbunten Dänischen Landschwein, der dänischen Landziege, Frederiksborger und Knabstrupper Pferde, Rote Dänische Milchrinder etc. sind auf dem Hof zu finden. Auf weiteren Standorten werden noch das seltene Inselvieh, Jütlandrinder und dänisches Shorthorn gehalten. Bewirtschaftet wird der Hof von der ganzen Familie in 3 Generation. Vor allem Stig Benzon, der auch an den Züchtertreffen in Deutschland teilnahm, sowie sein Sohn Jens ziehen hier gemeinsam an einem Strang - auch der Urenkel begleitete schon die Rundgänge zu den Tieren.
Fokus beim Betriebsbesuch waren natürlich die roten Rinder, die seit 15 Jahren auf dem Hof gezüchtet werden, heute werden rund 100 Zuchttiere in mehreren Herden an verschiedenen Standorten gehalten. Grundsätzlich zeigte sich die Herde eine hohe genetische Breite mit einer großen Vielfalt an verschiedenen Typen. Auffallend waren die stärker nach vorn gebogenen und oftmals kürzeren Hörner, die sich von denen der alten Angler unterscheiden sowie die z.T. etwas schwereren Tiere mit breiteren Nasen. Der züchterische Schwerpunkt liegt im Betrieb Benzon auf der Langlebigkeit. Früher wurden Kühe bis zu 15-20 alt, dies ist heute nicht mehr so, was wieder verbessert werden soll. Da es sich um eine Mutterkuhherde handelt, konnten keine Aussagen zur Milchleistung gemacht werden. Trotz einiger Unterschiede konnten jedoch mehrere schöne Tiere im Typ der alten Angler identifiziert werden. Diese Tiere, die damit für die deutsche Zucht interessant wären wurde vermessen, fotografiert und beurteilt.
Ein weiterer Schwerpunkt des Besuchs war dann auch die wichtige „Papierarbeit“. Durch die langjährige Zucht und vielfältige Aufzeichnungen verfügt die Familie Bezon über eine umfangreiche Bibliothek an Zuchtunterlagen, ausführlichen historischen Stammbäumen und Fotos. Diese Unterlagen sind für die deutsche Zucht sehr wertvoll, weil sie die vorhandenen Abstammungsinformationen ergänzen. Die historischen Tierfotos sind sehr aufschlussreich für die Beurteilung des Typs Dänischer Milchrinder, die in der deutschen Zucht in der Vergangenheit eingesetzt wurden. Belohnt wurde die gemeinsame „Fleißarbeit“, die sich über viele Stunden hinzog mit diversen Mahlzeiten von kulinarischen dänischen Besonderheiten von Birte Benzon. Der nette Empfang der kleinen Gruppe und die außergewöhnliche Gastfreundschaft ließen den Abschied schwerfallen.

Die zweite Station war dann der Züchter des Roten Dänischen Milchrindes Niels Stokholm mit seiner Frau Rita Hansen im Norden der Insel Seeland. Rund 50 Mutterkühe versorgen vorwiegen ihre Kälber mit Milch, nach Bedarf wird teilweise einmal täglich abgemolken. Auf dem Hof Thorshojgard, der seit 1975 biologisch-dynamisch bewirtschaftet wird, werden neben den Rinder noch das Schwarzbunte Dänische Landschwein, alte dänische Hühner und Schafe gehalten, dazu Getreide, Gemüse und Kräuter.
Diese Herde zeichnete sich im Vergleich mit der Benzon- Herde durch eher kleinrahmigere, zierlichere Tiere aus, die in vielen Fällen dem Typ des Angler Rind a.Z. recht nahekamen. Aus diesem Grund wurden auch alle Tiere einzeln aufgenommen, fotografiert und beurteilt. Gesundheit und Langlebigkeit stellen auch hier ein wichtiges Zuchtziel dar. Durch den ganz besonderen Umgang mit den Tieren durch Niels Stokholm war die Beurteilung der ausgesprochen ruhigen und entspannten Tiere auf der Weide absolut unkompliziert und erstaunlich schnell geschafft. Man merkte sofort, dass hier ein „Rinderflüsterer“ der ganz besonderen Art mit seinen Tieren lebt und arbeitet.

Insgesamt war die Reise sehr erfolgreich, viele Tiere konnten identifiziert werden, die potenziell für den Einsatz in der deutschen Zucht des Alten Angler Rindes geeignet sind. Nicht zuletzt war es auch eine spannende Reise zu unserer dänischen Schwesterorganisation „Danske gamle husdyrraser“, die von der Vorsitzenden Lilli Jensen über 2 Tage mit begleitet wurde. Auch Stig Benzon und Niels Stokholm sind als Vereinsfunktionäre aktiv, so konnte hier ein wichtiger Kontakt aufgebaut werden im Sinne einer engeren zukünftigen Zusammenarbeit. Die Gastfreudschaft und entspannte Atmosphäre, die wir auf der Reise erfahren durften, schöne Tiere und interessante Landschaften und auch der Sonnenuntergang am Meer, macht mehr Lust auf diese freundlichen Nachbarn im Norden.

Artikel von Karola Stier / Arche Nova 2012