Züchtertreffen Februar 2018

Das diesjährige Züchtertreffen fand am 20. und 21. Februar in Everode statt.

Dienstag, den 20. Februar
Nach der Begrüßung von Wilhelm Bertram (Hof Luna) stellten sich die 24 anwesenden Teilnehmer/innen vor. Es war wieder eine gut gemischte Gruppe aus Züchtern, Kooperationspartner und Unterstützern anwesend.

Im Anschluss sprach Claus-Peter Tordsen (RSH) über den Ablauf von Bullenkörungen, da auf einigen Betrieben dazu Probleme auftraten: Ein Bulle muss 12 Monate alt sein, um gekört werden zu können; seine Mutter muss eingestuft und der Vater, der VV und VVV müssen ebenfalls gekört sein. Falls in der Linie eine Körung ausgelassen wurde, muss zumindest die Abstammung, in drei Generationen zurück, nachvollziehbar sein und mit den gemeldeten VIT-Daten übereinstimmen. Eine Körung kostet 70,- Euro pro Tier. Zuschüsse für die Zucht in den Ländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen sind nur mit der Herdbuchzucht möglich.

Danach stellte Dr. Silvia Ivemeyer von der Uni Kassel/Witzenhausen die Ergebnisse des EU-Projektes „Organic Dairy Health“ vor. Das Projekt endet Mitte März 2018.
Gesundheits- und Produktionsmerkmale in lokalen Rassen und Hochleistungsrassen wurden in Deutschland, Schweiz, Österreich, Dänemark, Schweden, Polen und Litauen verglichen.
Für Deutschalnd ist als lokale Rasse das Angler Rind a.Z. vertreten. Von sieben Milchviehbetrieben mit Angler Kühen a.Z. wurden Daten erfasst und mit 13 ähnlich wirtschaftenden Betrieben mit HF-Kühen verglichen.
Die energiekorrigierte Milchleistung der Angler Kühe a.Z. war – unter Einberechnung der Laktationsnummer – nur geringfügig niedriger als bei den HF-Kühen (AAZ: 5193 kg, HF: 5620 kg). Hierbei wäre es noch interessant das Körpergewicht der Einzelkühe mit einzubeziehen.
Bei den Zellzahlen lagen die Angler (62,1%) nummerisch über den Prozentwerten der HF (55%) und auch über dem deutschen Durchschnittswert (56%). Bei den verschieden Untersuchungen zur Fruchtbarkeit, wie Zwischenkalbezeit, Güstzeit, Besamungsindex gab es keine belastbaren Unterschiede zwischen den Rassen. Beim Azidose-Risiko (abgelesen am Fett- Eiweiss-Quotienten <1,1) zeigten sie sich die Angler-Kühe deutlich besser, was aber auch am etwas geringeren Kraftfuttereinsatz liegen kann. Medikamentöse Euterbehandlungen (incl. Zitzenversiegler) kamen bei den Anglern seltener vor, während es bei rein antibiotischen Euterbehandlungen und der Gesamtzahl veterinärmedizinscher Behandlungen keinen belastbaren Unterschied gab.
Als Fazit kann gesagt werden, dass Angler a.Z.- und HF-Kühe sehr ähnlich eingeschätzt werden können, wenn man alle Parameter betrachtet. Das Angler Rind bietet sich besonders für extensiv arbeitende Betrieb sehr gut an.
Zum Abschluss wurde die Frage erörtert, wie die Daten nun praktisch genutzt werden können. Es besteht die Möglichkeit innerhalb der Herden Ranglisten zu erstellen, z.B. zu Leistung, Eutergesundheit/ZZ, Lebensleistung und Inhaltsstoffen. Diese Ranglisten können zur Auswahl von Bullenmüttern herangezogen werden.

Nach einem wieder mal sehr leckeren Mittagessen von Martina Helmcke (Hof Luna), berichtete Johannes Auffenberg (Student Hochschule Weihenstephan) von seiner Bachelorarbeit zur Ermittlung des Körpergewichtes einer Kuh über die Messung von Brustumfang und Rückenlänge.
Kühe vom Kirchgut Strellin und Hof Luna wurden vermessen und gewogen. Die Daten wurden von Johannes Auffenberg in Koordinatentabellen mit dem Gewicht und den Messergebnissen zusammengestellt. Es waren grobe Linien in den Tabellen erkennbar, ob es nutzbare Relationen zwischen den Messdaten und dem Gewicht gibt wird jetzt genauer untersucht.
Die Bachelorarbeit wird von Dr. Günter Postler vom FIT (Forschungsinstitut für ökologische Tierzucht und Landnutzung) betreut. Er ist darüberhinaus in der ArgeLL (Arbeitsgemeinschaft für Rinderzucht auf Lebensleistung) und EUNA (Europ. Vereinigung für naturgemäße Rinderzucht) tätig.
Die Gewichtsdaten sollen in sein Pilotprojekt zum Angler a.Z. einfliessen.
In der anschliessenden Präsentation von Günter Postler stellt er fünf mögliche Kriterien für einen NZW – Naturgemässen Zucht Wert als Diskussionsgrundlage in unserer Gruppe vor:
1. Gewichtsabhängige Leistung: Fett- und Eiweißkorrigiert
„Effizienz“ – Leistung in Abhängigkeit vom Körpergewicht unter Berücksichtigung des Tieralters und Messzeitpunkt innerhalb der Laktation
2. Leistungssteigerung: 1. - 3. Laktation
Die Leistungssteigerung sollte bei einer Kuh von einer durchschnittlichen 1. Lakatation über die 2. zur 3. Laktation erfol- gen: Dadurch sind die Tiere spätreifer, also nicht so schnell verbraucht und die ab der 3. Laktation ausgewachsene Kuh kann mehr Futter aufnehmen.
3. Gesundheitsparameter: Eutergesundheit, Klauen, …
Dabei kann der Mittelwert der Herde als Vergleichsmaßstab dienen. Zellzahlen und Melkbarkeit sollten gemeinsam be- trachtet werden.
Die Ergebnisse des Projektes der Uni Witzenhausen sollten einbezogen werden.
4. Anzahl Kalbungen / Lebensleistung: Rassespezifisch
5. Kuhfamilie: Mutter - Großmütter
Gezielte Selektion aus guter Kuhfamilie mit gutem LL-Vater Sinnvoll ist es jede Herde nach verschiedenen Kriterien zu betrachten und Ranglisten zu erstellen. Tauchen dabei Tiere immer wieder auf? Sind einem Züchter besondere Kriterien wesentlich? Danach kann die Auswahl von Bullenmüttern geschehen.
Letztendlich sollte das Ziel eine gesunde Milch von gesunden Tieren sein, die für ihre Leistung nicht gequält werden müssen. Dies versteht Günter Postler als naturgemässe Zucht.
An dieser Stelle unterbrachen wir zunächst das Thema und verschoben die Diskussion auf den nächsten Tag, um die verschiedenen Kriterien genauer anzuschauen und festzulegen.

Im Anschluss sprach Heiko Gerken über seine Geschäftsidee der Bio-Fleischvermarktung mit seinem relativ neu gegründetes Unternehmen „LebensMittelpunkt“.
Seit September 2017 ist er mit einer Homepage (www.der-lebensmittel-punkt.de) und einem Onlineshop im Netz. Die Unterzeile im Logo „... mit gutem GeWissen.“ steht für eine nachhaltige und transparente Produktion sowie für die Wissens- vermittlung der Herkunft und der Abläufe für den Kunden. Eine Präsentation, die von Andrea E. Hetzler erstellt wurde, möchte er interessierten Kunden bei einer „Meat & Great-Party“ zeigen und die Zusammenhänge rund um seine Produkte, die Kooperationspartner, die Verarbeitung und Logistik vermitteln.
Das bisherige Angebot von Bio-Fleisch von etwa fünf Betrieben aus seinem näheren Umfeld, möchte er nun nach und nach mit interessanten und selten Tierarten weiter aufwerten. Dazu gehört auch die Vermarktung von Fleisch des Angler Rindes a.Z.. So fragte Heiko Gerken in die Runde der Züchter, wann und wieviele Tiere zur Verfügung stehen, um gemeinsam dann Möglichkeiten der Vermarktung zu überlegen. Dabei bestimmt natürlich das Angebot die Art und Weise des tatsächlichen Vorgehens. Der LebensmittelPunkt sucht Betriebe, die offen für eine Zusammenarbeit sind und die „gläsern“ produzieren.
Es besteht die Option für weiter entfernt liegende Betriebe, ihre Tiere vor Ort zu schlachten und das Schlachtgut zu transportieren, um lange Transportwege für die lebenden Tiere zu vermeiden. Die Züchter können ihre Tiere selbst aus- mästen und das Fleisch dann an Heiko Gerken verkaufen oder sie verkaufen Absetzer, die auf seinem landwirtschaftlichen Betrieb als Weideochsen ausgemästet werden können. Für letzteres werden auf jeden Fall Tiere gesucht und wer sich für eine solche Zusammenarbeit interessiert, der möge sich direkt an Heiko Gerken wenden:
Tel. 04283 . 95 53 81 oder info@der-lebensmittel-punkt.de

Ebenfalls zum Fleischthema stellte uns Martina Helmcke (Hof Luna) Ergebnisse ihrer Recherche zur Durchführung einer Fleischuntersuchung vor. Viele Liebhaber des Angler-Fleisches, aber auch Publikationen von Slow Food Deutschland erwähnen die besonders gute Qualität. Nirgends konnten jedoch konkrete Untersuchungen dazu gefunden werden. So entstand die Überlegung mit einer selbst in Auftrag gegebenen Untersuchung fundierte, wissenschaftliche Daten zu erhalten und das Angler-Fleisch in Vergleich zum Wagyu- oder Angus-Fleisch zu setzen.
Für die Untersuchungen benötigt es im Vorfeld einige Entscheidungen für die gewünschten Standards, unter denen alle relevanten Fleischarten getestet werden sollen: Welches Fleisch wird ausgewählt – von Färse, Kuh, Bulle oder/und Ochse? Sind Reifezeiten und Lagerbedingungen vergleichbar? Geschieht die Reifung am Knochen oder im Vakuumpack? Soll zu einem objektiven Prüfverfahren (Physikalisch-chemische Merkmale) auch eine sensorische Prüfung zu Farbe, Marmorierung, Zartheit, Saftigkeit und Aroma/Geschmack stattfinden? Welche objektiv messbaren Prüfkriterien sollen herangezogen werden?
Martina Helmcke fragte beim Institut „NSF International” nach. Der Vorschlag eines Mitarbeiters war die Untersuchung von vergleichbaren Fleisch der ausgewählten Rassen von Rücken, Hüfte Oberschale und gleichen Muskeln. Das Fleisch sollte drei Wochen am Knochen abhängen und anschließend 7-10 Tage vakumiert sein. Mögliche Parameter sollten mindestens sein: DLG-Sensorik, Farbmessung, Ph-Wert, Fett (Soxhiet) und Fettsäurespektrum.
In der anschliessenden Diskussion wurde deutlich, dass die Standards und Parameter für die Teilnehmer/innen unterschiedlich bewertet wurden bzw. Unklarheit darüber besteht, was wirklich sinnvoll ist, besonders in Hinblick auf die en- stehenden Kosten. Am zweiten Tag gründete sich eine kleine Arbeitsgruppe zum Thema, die nun noch weiter in die Recherche einsteigt und gemeinsam eine Klärung erarbeiten will. Interessierte können sich an Martina Helmcke wenden: Tel. 05184 . 950 9650 oder mh@die-helmcke.de

Besonders zum folgenden Thema war es sehr schade, dass in diesem Jahr kein dänischer Züchter zum Züchtertreffen dabei sein konnte: Karola Stier von der GEH e.V. berichtete über ihre Reise, in Begleitung von Dr. Günter Postler, nach Dänemark zu den dort arbeitenden Betrieben mit dem alten Roten Dänischen Milchvieh – korrekt RDM 1970 genannt.
In Dänemark gibt es zur Zeit drei große dänische Zuchtbetriebe des RDM 1970 mit denen teilweise auch schon eine langjähriger Austausch mit unserem Arbeitskreis des Angler a.Z. besteht:


Stig und Jens Benzon, Oregaard (Fünen): 10 Zuchtbullen, 115 Milchkühe:
Niels Stokholm, Thorshojgard (Seeland): 4 Zuchtbullen, 45 Milchkühe (plus 40 Kühe unsicherer Abstammung eines an- deren Bauern aus Jütland):
Susanne Hovmand, Knuthenlund (Lolland): 1 Zuchtbulle, 39 Milchkühe, plus 39 Färsen, Betrieb im Aufbau:

Von der Uni in Aarhus wurden weitere kleine Hobbyhalter ausgemacht, so dass es in DK insgesamt 54 Züchter mit 224 weiblichen Tieren über 1 Jahr und 43 Bullen über 1 Jahr gibt.
Desweiteren stellte Karola Stier genetische Untersuchungen von Prof. Guldbrandtsen der Uni Aarhus vor, in der das RDM 1970 sowie andere Rotviehrassen eingestuft wurden. Das RDM 1970 ist in DK in einer sehr reinen Genetik mit enger Population, aber ohne Inzuchtprobleme erhalten. Dagegen ist das moderne RDM zu einer synthetische Rasse mit vielen verschiedenen Einkreuzungen gezüchtet worden. Mehr zu den, momentan noch in Auswertung befindlichen Untersuchungen wird Karola Stier im nächsten Jahr berichten.

Danach fand die Jahreshauptversammlung des Fördervereins Angler Rind a.Z. unter Leitung von Claus-Peter Tordsen statt.
Erneut wurde Wilhelm Bertram zum 2. Vorsitzenden des Vereins gewählt.
Claus-Peter Tordsen berichtete von zwei Trächtigkeiten aus Embyotransfer, bei denen im letzten Jahr zwei Bullenkälber geboren wurden. Ein Bulle ist auf den Betrieb Höper & Schritt gegangen, der zweite, ein Vollbruder steht noch zum Verkauf. Er ist aus der Linie Earl – Tangens. Seine Mutter stammt von Ingwer ab und hatte 10 Kälber.

Nach dem Abendbrot waren alle Teilnehmer/innen in einen intensiven Austausch miteinander und es wurde dann noch der Film „Ö-Kuh-Hof“ aus der Reihe „naturnah“ des NDRs gezeigt. Der Film, stellt das Ö-Kuh-System auf Hof Luna vor. Er kann auch in der Videothek des NDR angesehen werden: www.ardmediathek.de

Mittwoch, den 21. Februar
Gleich zu Anfang des Tages fand eine Tierbeurteilung im Kuhstall von Hof Luna statt. Wilhelm Bertram ließ drei sehr unterschiedliche Milchkühe sowie den momentanen Zuchtbullen in den Außenauslauf und die Anwesenden diskutierten zum Exterieur und den Besonderheiten der einzelnen Tiere.

Wieder im Veranstaltungsraum des Hofes tauschten sich alle Beteiligte zu der Auswahl von Bullenmüttern aus. Dafür steht nun die Datenbank von Silvia Ivemeyer sowie die Kriterien des NZW von Günter Postler zur Verfügung. In die Datenbank der Uni Witzenhausen können Gewichte integriert werden, so dass eine gewichtsabhängige Leistung herausgezogen werden kann. Da das Projekt nun endet, wird Silvia Ivemeyer die VIT-Daten abbestellen. Die erneute Bestellung dieser Daten kostet pro Betrieb, je nach Herdengröße, etwa 50,- Euro (exakte Preise und Berechnungsschlüssel sind auf der Homepage von VIT bzw. LKV Schleswig-Holstein ersichtlich). Der Förderverein hat zugesagt diese Kosten für die relevanten Betriebe zu übernehmen. Die MLP-Daten (im ADIS-Format) können weiterhin über die Datenbank von Silvia Ivemeyer eingelesen und zu diesen Ranglisten verarbeitet werden. Bei Fragen dazu oder Interesse an den bisherigen Ranglisten wendet Euch direkt an Silvia Ivemeyer: ivemeyer@uni-kassel.de oder 05542 . 98 16 43.

Mit den Daten können Ranglisten der 250 Milchkühe erstellt werden – in der jeweiligen Herde, aber auch als Gesamtrangliste. Günter Postler schlägt fünf Kriterien für die Beurteilung vor, die am Vortag schon angesprochen wurden. Zu jedem Parameter kann eine Liste erstellt werden und auch mit allen Parametern zusammen.

In der anschliessenden Diskussion einigten wir uns auf folgende sechs Kriterien:
1. Durchschnittsleistung und Gewichtsabhängige Leistung: Fett- und Eiweißkorrigiert
2. Leistungssteigerung: 1. - 3. Laktation
3. Gesundheitsparameter: Zellzahl (Eutergesundheit) und Zwischenkalbezeit (Fruchtbarkeit)
4. Aktuelle Lebensleistung / Anzahl Kalbungen
5. Kuhfamilie: Mutter – Großmütter (LL / Anzahl Kalbungen)
6. Funktionelles Exterieur: Lineare Bewertung, ausgesuchte Merkmale, Besonderheiten

Angesprochen wurden auch die möglichen Auswahlkriterien für Mutterkuhhalter. Hierbei sollte noch einmal anders auf das Exterieur geschaut werden. Kühe mit weniger Milch und hohen Fettprozenten eignen sich als Bullenmütter besser, da durch das viele Fett ein guter Zuwachs der Kälber erfolgt.
Danach tauschten wir uns über allgemeine und individuelle Tierzuchtthemen aus.

Vielen Dank an alle Beteiligte für das gute Treffen und die vielen wertvollen Beiträge!