Züchtertreffen Februar 2016

Das Züchtertreffen fand am 17. und 18. Februar auf Hof Luna in Everode statt.

Mittwoch, den 17. Februar
Nach der Begrüßung von Wilhelm Bertram (Hof Luna) stellten sich die insgesamt 27 Teilnehmer/innen kurz vor. Auch neue Betriebe waren wieder dabei, die etwas ausführlicher berichten konnten.

Sehr betroffen waren wir, als Niels Stockholm aus Dänemark uns mitteilte, dass Lilli Jensen von der „Association of Old Danish Livestock Breeds“ ein paar Tage vor unserem Treffen gestorben ist. Viele von uns haben Lilli Jensen bei unseren jährlichen Züchtertreffen kennen- und schätzengelernt. Ihr Tod erzeugt nicht nur eine große Lücke in ihrem direkten Umfeld, sondern auch in ihrer sehr engagierten Arbeit für die alten dänischen Haustierrassen. Wir behalten sie als einen sehr herzlichen, inspirierenden und freudvollen Menschen in Erinnerung.

Nach der Runde sprach Dr. Silvia Ivemeyer von der Uni Kassel/Witzenhausen über den Zwischenstand des EU-Projektes „Organic Dairy Health“.
Gesundheits- und Produktionsmerkmale in lokalen Rassen und Hochleistungsrassen werden in Deutschland, Schweiz, Österreich, Dänemark, Schweden, Polen und Litauen verglichen.
Für Deutschalnd ist als lokale Rasse das Angler Rind a.Z. ausgewählt. Von acht Milchviehbetrieben mit Angler Kühen a.Z. werden Daten erfasst und mit ähnlich wirtschaftenden Betrieben mit HF-Kühen verglichen.
Bei den ersten vorläufigen Zusammenstellungen zeigen sich höhere Zellzahlen bei den Angler Kühen. Hierbei ist jedoch auch zu berücksichtigen, dass die Angler-Kühe im Durchschnitt ein höheres Alter erreicht haben und somit einen größeren Risikozeitraum aufweisen. An dieser Stelle entsteht eine sehr interessante Diskussion zu hohen Zellzahlen und einer erhöhten Aktivität des Immunsystems. Silvia Ivemeyer weist darauf hin, dass jede Entzündung eine Schwächung des Organismusses darstellt, wenn das Immunsystem permanent aktiv sein muss.
Interessant ist, dass bei den Anglern weniger Medikamente eingesetzt werden wie bei den HF.
Die Milchleistung ist bei den Anglern auch nach der Energiekorrektur niedriger wie bei den HF-Kühen. Es wird angemerkt, dass das Gewicht und somit die Futteraufnahme der Tiere, dabei nicht in die Untersuchung mit einbezogen ist.

Hans Nebel aus Dänemark berichtete von zwei Reisen nach Polen, Lettland und Litauen, die er im letzten Jahr gemeinsam mit Lilli Jensen und Stig Benzon unternahm. Sie besuchten Betriebe mit polnischem Rotvieh und recherchierten mögliche Verbindungen zum RDM.
Die erste Reise fand im Februar 2015 nach Krakau und ins südliche Polen statt. Da hier bergiges Land vor-herschend ist, wurde die Züchtung des Polish Red auf Hanglagen angepasst. Hans Nebel sagte, dass in den Tieren etwa 65-75% RDM zu finden ist.
Im Mai und Anfang Juni 2015 unternahmen sie die zweite Reise nach Lettland, Litauen und ins nördliche Polen. Es fanden Treffen mit Rinderverbänden statt, bei denen Stammbäume eingesehen werden konnten. Oft waren in den 50er Jahren RDM-Bullen in den Linien eingesetzt.
Stig Benzon fragte bei verschiedenen Stationen nach Sperma von alten Bullen und bekam mehrere Portionen von vier Bullen. Nur einer dieser Bullen ist in DK anerkannt. Bei den anderen Portionen standen keine Namen an den Pailletten, die vor 1992 in Verwendung waren.
Günter Postler schlägt einen DNA-Test aus jeweils einer Portion vor, um das Sperma anerkennen zu lassen.

Danach stellte Dr. Günter Postler von der Arbeitsgemeinschaft für Rinderzucht auf Lebensleistung die Ergebnisse des anwendungsorientierten Forschungsprojektes „Kuhfamilien und Natursprungbullen“ vor.
Das Projekt setzt sich aus drei Modulen zusammen.
Im Modul 1 werden Kuhfamilien von den mitarbeitenden Betrieben mit Fleckvieh-, Braunvieh- und HF-Beständen recherchiert und erhalten. Interessante Linien werden anhand der Lebensleistung des Tieres, der Mutter und der Großmutter ausgewählt und aufgebaut. Aus diesen Linien findet eine Bullenauswahl statt, um Natursprung und Besamungsbullen zu züchten. Diese werden dann in der Linie eingesetzt, um sie relativ nah zu halten oder in fremden Linien, um bestimmte Eigenschaften dort zu etablieren und der Inzucht entgegen zu wirken. Desweiteren wurde ein Spermadepot als genetische Reserve angelegt.
Das Modul 2 umfasst den Aufbau, die Zuchtbegleitung und die Auswertung zweier Basisherden in Juchowo/Polen. Es handelt sich um 240 HF- (Subpopulation ausgehend von Bakel) und 110 Braunvieh-Kühe mit Nachzucht und 12-18 Natursprungbullen.
Im Modul 3 wird die europäische Züchtervereinigung für „Naturgemäße Tierzucht“/EUNA aufgebaut. Ziele der Vereinigung ist die Zucht von problemlosen Dauerleistungskühen, der Aufbau eines Angebots von Sperma aus Bullen solcher Kuhfamilien sowie die Führung von Herdbüchern und Abstammungsnachweisen.

Nach dem Mittagessen – das wieder sehr lecker von Martina Helmcke kreiert wurde – sprach Claus-Peter Tordsen von der RSH (Rinderzucht Schleswig-Hostein) zunächst über die erfolgten Besamungen mit Angler-Bullen a.Z. und über die verbleibenden Portionen. Besonders Usidor wird auch außerhalb der alten Zuchtrichtung eingesetzt, was in Zukunft nun eher unterbunden werden soll.
Für die Aufstellung eines neuen Besamungsbullen, sprach Claus-Peter Tordsen auch die Möglickeit über verbleibende Embryonen an. Der Tierarzt Dr. Henningsen/SH verfügt noch über jeweils zwei Embryonen der Bullen Imker, Egal und Earl. Im gemeinsamen Gespräch wurde deutlich, dass besonders die Linie von Earl sehr interessant ist, da sie in den Beständen in den letzten paar Generationen nicht auftaucht und dazu aus einer sehr alten reinen Angler-Linie hervorgeht. Es wird entschieden, dass das Einsetzen der beiden Earl-Embryonen über Dr. Henningsen angefragt wird. Die Kosten werden dankenderweise vom Förderverein Angler Rind a.Z. übernommen.

Danach stellte Vanessa Lauks, Studentin der Uni Kassel/Witzenhausen ihre Recherche zum Thema Beta-Kasein Typ A1 und A2 vor.
In Neuseeland und Australien wird seit ein paar Jahren bereits A2-Milch vermarktet und viele Farmen stellen dort ihre Herden auf den Genotypen A2 um. Dieses Thema hat in Deutschland und Europa bisher noch keine große Aufmerksamkeit gefunden, jedoch kündigt der neuseeländische Produzent von A2-Milch eine Belieferung des europäischen Marktes an.
Grund genug, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Der Genotyp A1 ist aus einer Mutation vor 5.000 - 10.000 Jahren bei den europäischen Rinderrassen entstanden. Der Unterschied zum ursprünglichen A2 (das erst später gefunden wurde) liegt im Vorkommen von Beta-Casomorhin 7 (BCM7), das eine dämpfende Wirkung auf die Verdauung auslösen soll. Dies würde dann zu einigen Folgeerscheinungen führen, wie Bauchschmerzen, Völlegefühl oder Blähungen.
Das Fazit der Recherche von Vanessa Lauks lautet: „Es gibt Hinweise dass A2-Milch gesundheitliche Vorzüge hat. Eindeutige, belastbare Ergebnisse fehlen aber noch. Die Zucht auf A2-Genotypen kann sich zu einer interessanten Option entwickeln. Gerade bei Rassen kleiner Populationen sollte jedoch darauf geachtet werden, eine möglichst breite genetische Basis zu erhalten.“
Im Anhang der Rundmail ist der vollständige Bericht der Recherche zu finden.

Im Anschluss fand die Vorstellung von drei Zuchtbetrieben zu ihren Zuchtzielen statt. Eine sehr interessante Diskussion zu „funktionalem“ Exterieur entstand und es wurde der Wunsch aus der Runde geäußert, bei weiteren Treffen stärker auf Exterieurbewertungen am lebenden Tier einzugehen. Dies bietet sich besonders beim Sommertreffen an, zu dem der Förderverein Angler Rind a.Z. seit drei Jahren einlädt.
Silvia Ivemeyer schlug vor, aus ihrem Datenpool interessante Tiere hinsichtlich Leistungs- und Gesundheitsdaten herauszusuchen, so dass wir diese Daten für die Zucht berücksichtigen können.

Danach fand die Jahreshauptversammlung des Fördervereins Angler Rind a.Z. unter Leitung von Claus-Wilhelm Hansen statt.
Unter anderem wurde der Besuch im letzten Sommer mit acht Personen zu Stig Benzon nach DK erwähnt. Das diesjährige Sommertreffen könnte im Juni/Juli evtl. nach Neu Wulmsdorf gehen, wo gerade eine größere Angler-Herde im Aufbau ist.

Nach dem Abendbrot zeigte uns Niels Stockholm den Film „Viel Gutes erwartet uns“ von seinem Hof Thorshojgard/DK. Es waren viele wunderschöne Bilder der Tiere und der Landschaft darin und auch sehr nachdenkliche Fragen zum Umgang mit den Tieren aus rein rechtlicher Sicht und aus Sicht eines engagierten Züchters und Tierbeobachters.

Donnerstag, den 18. Februar
Gleich zu Anfang des Tages fand eine Stallbesichtigung mit Wilhelm Bertram statt. Es war schön zu sehen, dass die Herde nun so weit aufgestockt ist, dass fast alle 70 Plätze gefüllt sind.

Wieder zurück im Veranstaltungsraum sprachen wir zunächst über Paratuberkulose. Dabei handelt es sich zwar um keine neue Krankheit, aber doch um eine, die sich zunehmend verbreitet. Sie kann, insbesondere in so kleinen Beständen, wie beim Angler a.Z., ein Problem darstellen, da auch der Austausch unter den einzelnen Betrieben eingeschränkter stattfindet bzw. bewusst angeschaut werden sollte.
ParaTb gilt immer noch als unheilbar und eine Sanierung der betroffenen Bestände ist langwierig. Die Ansteckung erfolgt zumeist in den ersten Lebensmonaten des Kalbes. Das Ausbrechen der Krankheit kann dann allerdings erst im zunehmenden Alter in Streßsituationen geschehen, wie im Winter oder nach dem Kalben. Erschwerend für sanierungswillige Betriebe ist, dass es bisher keinen zuverlässigen Test gibt. Erst mehrere Untersuchungen an einem Tier in Abständen können eine Tendenz geben. Auch wenn ein infiziertes Tier noch nicht klinisch ist, kann es in Intervallen entsprechende Bakterien
über den Kot abgeben und gesunde Tiere anstecken. Dies geschieht besonders bei den Kälbern, deren Aufzucht bei betroffenen Betrieben unter sehr hygienischen Bedingungen und Abtrennung vom Restbestand erfolgen sollte.
Zum weiteren Nachlesen hat Silvia Ivemeyer zwei Quellen unter folgenden Links empfohlen:
www.tierseucheninfo.niedersachsen.de
www.landwirtschaftskammer.de
Danach tauschten wir uns über allgemeine und individuelle Tierzuchtthemen aus.

Vielen Dank an alle Beteiligte für das gute Treffen und die vielen wertvollen Beiträge!